Jahresrückblick 2022 (Januar 2023)
von Benedikt Wohlfart für den Winzerverein Heidingsfeld e.V.
Sehr geehrte Damen und Herren, geschätzte Ehrengäste,
liebe Mitglieder und Freunde des Winzervereins Heidingsfeld.
Nach nun zwei Jahren Corona-Pause freue ich mich ganz besonders, heute wieder einen
Jahresrückblick präsentieren zu dürfen. Wie jedes Jahr hatte auch 2022 seine Höhen und Tiefen, auf
die ich gerne kurz eingehen möchte. Auch in diesem Jahr liegen dem Bericht die Aufzeichnungen der
LWG in Veitshöchheim, der Jahresrückblick aus der Rebe&Wein 12/22 sowie die Daten von Günter
Wohlfart zugrunde.
2022 begann wie die letzten Jahre auch, tendenziell etwas zu warm. So lagen die
Durchschnittstemperaturen zwischen 1,4 bis 3,3° höher als das langjährige Mittel. Die Niederschläge
waren üppig. Besonders der April hatte es mit der fast dreifachen Menge an Regen und kälteren
Temperaturen wirklich in sich, wodurch die Reben am 30.04. drei Tage später austrieben als
durchschnittlich. Der Mai präsentierte sich 2,2° wärmer, was zusammen mit der guten
Wasserversorgung zu schnellem Wachstum führte. Die Blüte fand deshalb bereits 9 Tage früher statt
und Spätfröste blieben glücklicherweise aus.
Leider blieben ab Mitte Mai auch die Niederschläge aus, was uns Winzer im vergangenen Jahr viel
Kopfzerbrechen bereitete und sicher der prägende Gedanke ist, wenn wir uns an das Jahr
zurückerinnern. Grundsätzlich gilt Franken als ehr trockenes Weinbaugebiet, nicht nur was den
Weingeschmack angeht. Durchschnittlich fallen bei uns etwas über 500 Liter Regen pro Jahr, rund
240 Liter während der Wachstumsphase der Reben von Mai bis August. 2022 kamen manche
Ortschaften in diesem Zeitraum nicht einmal auf 50 Liter pro Quadratmeter. Hier bei uns waren es
etwa 100 Liter, was jedoch an einem Schauer mit 45 Liter Mitte August lag. Spätestens nach der Blüte
Anfang Juni hatten viele jüngere Anlagen mit der Trockenheit zu kämpfen. Doch auch alte Anlagen
wie mein Silvaner von 1998 kamen vergangenes Jahr an ihre Grenzen. Die Pflanzen stellen dann das
Längenwachstum ein, Blätter fangen von unten an zu welken und werden sonnenbrandanfällig. Die
Durchschnittstemperatur in diesem Zeitraum lag zwischen 1,5 und 3,3° über dem Mittelwert der
letzten 54 Jahre. Messungen der LWG ergaben, dass die Böden in Südhängen teileweise 60cm tief
ausgetrocknet waren. Die versuche unsere Anlagen mit Wasser zu versorgen, erscheinen dabei
praktisch lächerlich, wenn wir stolz waren, jeder Pflanze 8-10 L zu spendieren. Das entspricht etwa 3-
5 Liter pro Quadratmeter.
Erlauben Sie mir hierzu ein kleines Rechenbeispiel:
Nehmen wir an, wir möchten die fränkischen Weinberge einmal mit 50 l/m² bewässern, dann
bräuchten wir bereits 500 m³ also 500.000 Liter Wasser pro Hektar.
Bei etwa 6000 ha in Franken macht das einen Wasserbedarf von 3 Millionen m³.
Laut Wikipedia führt der Main etwa 200 m³ Wasser pro Sekunde. Das heißt, wir müssten für unser
Vorhaben 15.000 Sek oder über 4h lang den Main leer pumpen, was einem ausgiebigem Regentag
entspräche. Würden wir das Ganze dann 3 bis 4 Mal machen, hätten wir das Defizit von 2022
annähernd ausgeglichen.
Ich denke, diese Rechnung zeigt anschaulich, dass es diese Menge an Wasser und die zugehörige
Technik nicht gibt, um den natürlichen Regen zu ersetzen. Die Maßnahmen, die wir Winzer ergreifen
können, dienen bestenfalls dazu, unsere Pflanzen punktuell am Leben zu halten. Im schlimmsten Fall
beruhigen sie jedoch auch nur unser Gewissen, damit wir zumindest alles versucht haben, während
wir den Reben beim Sterben zusehen müssen.
Erlösung brachte uns dann der September, in dem es wieder größere und flächendeckende
Niederschläge gab. Die Trauben konnten sich noch mit dem Wasser füllen und ich bin sicher, viele
Winzer haben wie ich, über die Geschwindigkeit gestaunt, mit der sich die Pflanzen teilweise
regeneriert haben.
So trocken und fordernd das Jahr 2022 auch war, hatte es auch seine guten Seiten. Bis auf wenige
brisante Zeitpunkte war der Pflanzenschutz kein Problem und rückwirkend betrachtet, konnten wohl
durchweg gesunde und reife Trauben geerntet werden. Hier gestaltete sich die Weinlese wie in den
vorherigen Trockenjahren 2018 – 2020 ohne klare Reihenfolge. Als erstes wurden die späteren
Sorten wie Silvaner oder Burgunder geerntet, damit die Mostgewichte nicht über das Ziel hinaus
schießen, die letzte Sorte war der Bacchus, der in normalen Jahren als erstes geerntet wird.
Die ersten 22er Weine sind mittlerweile in der Flasche und entwickeln sich bisher sehr
vielversprechend.
Abschließend möchte ich die Gelegenheit heute noch nutzen, einige Worte an die Vertreter aus
Politik und Gesellschaft zu richten.
Ein weiteres Thema, was uns Winzer und Landwirte 2022 Bundesweit umgetrieben hat, ist das
angestrebte Pflanzenschutzverbot in Schutzgebieten. Es geht dabei darum, eine Vorgabe der
Europäischen Union umzusetzen, nach der bis 2030 50 % Pflanzenschutzmittel eingespart werden
soll. Die Idee ist, zu diesem Zweck jede Art von Pflanzenschutzmittel in allen Schutzgebieten zu
verbieten. Konkret hätte das zur Folge, dass wir nicht mehr in der Lage sind, etwa die Hälfte der
Heidingsfelder Rebflächen zu bewirtschaften. Gerade im Weinbau werden größere Mengen an
Mitteln benötigt, um die Pflanzen gesund zu erhalten. Ohne diese, ist Weinbau keinesfalls möglich.
Dieses Verbot gilt auch für Bio-Mittel und hätte zur Folge, dass wir um die Rodung betroffener
Flächen nicht herum kommen.
Ich kenne dabei in der heutigen Zeit keinen Winzer, der unnötige Maßnahmen durchführt. Diese sind
alle mit immensem Aufwand und Kosten verbunden, die kein Landwirt mehr außer Acht lassen kann.
Wir sind alle sachkundig im Pflanzenschutz und schon aus reinem Selbsterhalt bestrebt, nachhaltig zu
arbeiten, damit wir auch in Jahrzehnten noch auf unseren Flächen ernten können.
Bei mir entsteht durch solche Vorschläge leider der Eindruck, hier werde ein ganzer Berufsstand zum
Sündenbock der Gesellschaft gemacht und kategorisch das Vertrauen aberkannt. So eine Politik greift
uns Winzern und Landwirten aktiv in die Tasche, nimmt uns die Möglichkeit, mit unseren
Erzeugnissen unsere Familien zu ernähren und zwingt uns letztendlich, unsere Betriebe aufzugeben.
Ich möchte deshalb hier und heute jeden Politiker, der solche Gesetzte und Verordnungen
unterstützt auffordern, ebenfalls 50 % seiner Diäten abzugeben. Ich finde, in einem Sozialstaat wie
unserem sollte so etwas wie Gleichberechtigung und Solidarität gelebt und nicht nur gepredigt
werden. In diesem Zusammenhang könnte sich der Rest der Gesellschaft ebenfalls einschränken und
sich in gleichem Ausmaß am Umweltschutz beteiligen. Ich denke beispielsweise, die Abschaltung des
Internets hätte einen ähnlich einschneidenden Effekt. Ich bin mir sicher, damit ließen sich etliche
Probleme von der Energiekrise bis zur psychischen Gesundheit unserer Jugend verbessern.
Natürlich sind diese Gedanken extrem, jedoch geht es dabei mittlerweile wirklich um die Existenz der
deutschen Landwirtschaft. Vielleicht denken wir alle noch einmal daran, wenn in der nächsten Krise
die Lebensmittel und nicht das Toilettenpapier ausgehen.
Letzten Endes ist es doch so: Die Menschen auf unserem Planeten haben sich innerhalb der letzten
100 Jahre verachtfacht. Ich bin der festen Überzeugung, keiner davon sollte verhungern. Damit dies
gelingt, braucht es aber eine effektive, schlagkräftige Landwirtschaft, die nach bestem Wissen alle zur
Verfügung stehenden Flächen und Möglichkeiten der heutigen Zeit dafür nutzt.
Fazit:
Ein weiteres Jahr mit vielen Emotionen, Höhen und Tiefen liegt hinter uns. Für mich ist der
Jahreswechsel immer ein Moment, an dem ich innehalte, über die Herausforderungen und Erfolge
des Jahres nachdenke und dankbar bin für die Weine im Fass, die Natur und die Möglichkeit, die
Einzigartigkeit des Jahres in Flaschen einzufangen.
Damit bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche uns allen noch einen tollen Jahrtag.
Benedikt Wohlfart, 15.01.
Quellen:
LWG Veitshöchheim Günter Wohlfart
Rebe und Wein Ausgabe 12/22